Lernprozess

Wissensquelle aussuchen

Als Jurist hat man eine große Auswahl

zwischen den verschiedensten Quellen

ZZ. Kuno vor Büchern und Hinterstich

In kaum einem anderen Fach gibt es so viele verschiedene Bücher und Lehrangebote wie für Juristen. Diese unterscheiden sich nicht nur in ihrer Art (Vorlesungen, Lehrbücher, Fallbücher, Skripte, Karteikarten, Videos, Repetitorien usw.), sondern auch inhaltlich werden sehr unterschiedliche didaktische Konzepte verfolgt. Aus diesem Grund lohnt es sich die verschiedenen Quellen mal genauer zu betrachten und ihre jeweiligen Vor– und Nachteile miteinander abzuwägen.

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Die Vorlesung

ZZ. Hinterstich alleine an der Tafel

An den Universitäten steht immer noch die klassische Vorlesung im Mittelpunkt der Lehre. Dabei steht ein Professor vor meist mehreren hundert Studenten und versucht ihnen den Stoff in einem mündlichen Vortrag näher zu bringen. Unterstützt wird dieser Vortrag häufig durch Powerpoint Folien, die man sich dann nachher auf der Homepage des Instituts herunterladen kann. Wie gut diese Art der Wissensvermittlung funktioniert ist sehr unterschiedlich. So finden es einige Studenten sehr angenehm den Stoff mündlich vorgetragen zu bekommen, während andere dabei fast einschlafen und sichtlich Probleme haben einem einseitigen Vortrag länger als 10 Minuten zu folgen.

ZZ. Zwei Kunos auf ihrem Pult

Wie produktiv eine Vorlesung ist hängt aber nicht nur von der Aufnahmefähigkeit der Studenten ab, sondern nicht zuletzt auch von dem jeweiligen Dozenten. So sind einige sehr locker drauf und schaffen es auf sehr lebendige Weise den Stoff zu veranschaulichen und bei den Studenten Begeisterung zu entfachen…

ZZ. Hinterstich springt, jubelnder Kuno

… während andere in monotoner Art in ihre Spezialgebieten abschweifen und oftmals gar kein Gefühl dafür zu besitzen scheinen, ob ihnen noch jemand folgen kann oder nicht. Als Student ist man nach solchen Veranstaltungen meistens genauso schlau wie vorher und fühlt sich regelrecht untern Tisch gezogen.

ZZ. Kuno wird unter Tisch gezogen

Wie sinnvoll eine Vorlesung ist hängt also sowohl von den Vorlieben der Studenten als auch von den didaktischen Fähigkeiten der einzelnen Professoren ab, weshalb ein pauschales Urteil hierzu kaum möglich ist. Bemerkenswert ist allerdings, dass gerade die didaktischen Fähigkeiten bei der Auswahl und Einstellung der Professoren offenbar gar keine Rolle spielen. Die Universitäten suchen ihr Lehrpersonal also nicht danach aus ob es in der Lage ist den Studenten etwas beizubringen, sondern entscheidend für Einstellung sind alleine die fachlichen Kompetenzen

→ s. hierzu den Ausschnitt aus einem Interview mit Prof. Rüßmann (3 Min.)

An den Fakultäten wird also offenbar immer noch konsequent der Schluss gezogen, dass ein guter Schüler/Forscher auch ein guter Lehrer sein muss. Und genau das ist äußerst fragwürdig, denn das eine mit dem anderen ja eigentlich relativ wenig zu tun. Möglicherweise ist es sogar gerade für Hochbegabte mit zwei Top Examen relativ schwierig sich in die vielen ahnunglos dreinschauenden Studenten hineinzuversetzen, einfach weil sie selbst nie irgendwelche nennenswerte Verständnisprobleme hatten. Das eine (Fachliche Kompetenz) hat mit dem anderen (Didaktische Fähigkeiten) jedenfalls relativ wenig zu tun, weshalb die mangelnde Berücksichtigung dieser Kompetenz kaum nachvollziehbar ist.

→ s. hierzu ein Statement von Til Schweiger aus der NDR Talkshow (2. Min)

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Die Uni-Arbeitsgemeinschaft

 ZZ., Uni-AG

Ergänzend zu den Vorlesungen werden an den Universitäten auch diverse Arbeitsgemeinschaften angeboten, welche meist von wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Doktoranden geleitet werden. Hier wird vor allem das Lösen von Fällen geübt, also die Anwendung des eher theoretischen Wissens aus der Vorlesung auf einen konkreten Einzelfall. Diese AGs sind sehr sinnvoll und werden von den Studenten in aller Regel auch sehr gut angenommen. Die Gruppen bestehen meist auch nur aus ca. 15 Leuten, so dass man dort auch die Möglichkeit hat sich zu beteiligen und bei Verständnisproblemen Nachfragen zu stellen usw. Zudem ist bei den meisten AG-Leitern das eigene Studium auch noch nicht so lange her, so dass das Verständnis für die Verständnisprobleme der Studenten häufig noch deutlich ausgeprägter ist als bei den meisten Professoren. Auch hier muss man allerdings Glück haben, denn die didaktischen Fähigkeiten der AG-Leiter werden bei deren Berufung ebenfalls kaum hinterfragt.

 

Lehrbücher und Skripte

ZZ. Kuno über Büchern

Unabhängig von den universitären Veranstaltungen gibt es im Seminar und den Buchhandlungen natürlich zu jedem Rechtsgebiet zahlreiche Lehrbücher und Skripte, die einem den Examensstoff alle auf ihre Art und Weise näher bringen wollen. Dabei sollte man nicht einfach nur blind den Literaturempfehlungen der Professoren folgen, sondern sich die verschiedenen Angebote genau anschauen und prüfen, womit man am besten zurecht kommt. Dies kann individuell sehr unterschiedlich sein und hängt auch davon ab, wieviel Vorwissen man zu dem Thema bereits gesammelt hat (s. „Wissen einordnen”).

 

Karteikarten

ZZ.Fräulein Ach mit Karteikarten

Sehr beliebt und sinnvoll sind auch Karteikarten. Dabei steht auf der einen Seite z.B. ein Stichwort oder eine Frage, und auf der anderen Seite findet sich dann die passende Antwort oder Definition dazu. Solche Karteikarten kann man entweder fertig kaufen oder selbst erstellen, wobei der Lerneffekt bei selbst erstellten Karten deutlich größer sein dürfte. Das Schöne bei den Karten ist jedenfalls, dass man sie gut sortieren und den Stoff dadurch besser und systematischer wiederholen kann. Zudem fördert das Lernen mit solchen Karten auch die Motivation, da man einen gelernten Stapel nachher in der Hand halten und somit den Erfolg tatsächlich sehen kann (→ JuraWiki über Karteikarten).

 

Private Repetitorien

 ZZ, Gnatzel

Spätestens bei der Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen greifen ca. 90 % (!) aller Jurastudenten auch auf die Hilfe von privaten Repetitorien zurück. Dort fängt man dann mit dem Stoff mehr oder weniger nochmal von vorne an („Der Einstieg in unseren Kurs erfordert keine weit reichenden Vorkenntnisse”) und bereitet sich ca. 1 – 2 Jahre lang ganz gezielt auf die Staatliche Pflichtfachprüfung vor (→ siehe hierzu eine Beschreibung des Repetitoriums hemmer).

Die Kosten hierfür (ca. 150,- € / Monat) müssen die Studenten aus eigener Tasche bezahlen, wobei das Geld angesichts der enormen Bedeutung der Examensnoten in aller Regel gut investiert ist. Dieser beeindruckende Erfolg der Repetiorien führt in der Praxis dazu, dass das Jurastudium faktisch zweigeteilt ist: Die ersten 3 Jahre verbingt man an der Universität und konzentriert sich auf die dort gestellten Aufgaben, das letzte Jahr besucht man ein privates Repetitorium und bereitet sich gezielt auf die Staatliche Pflichtfachprüfung vor. Diese etablierte Arbeitsteilung zwischen Universitäten und Repetiorien ist bemerkenswert, zumal die Jahreskurse beim Repetitor rein äußerlich eigentlich ähnlich ablaufen wie die Vorlesungen an der Uni. Auch dort sitzen nämlich häufig bis zu 100 Leute in einem Raum, so dass für einzelne Nachfragen oder individualisierten Unterricht etc. kaum Möglichkeiten bleiben.

 ZZ. Gnatzel vor vierfacher Gruppe

Der Unterschied zu einer Vorlesung an der Universität ist allerdings, dass man beim Repetitor auch sehr gute kursbegleitende Materialien bekommt, und nicht nur auf immer anders aussehende Powerpoint Folien auf der Homepage des Instituts verwiesen wird. Zudem werden die Kursleiter hier wirklich nur nach dem Kriterium ausgewählt ob sie auch wirklich lehren können, und nicht ob sie in der Lage waren eine sehr spezielle Habilitation anzufertigen oder ähnliches. Ganz allgemein besteht der Unterschied wahrscheinlich darin, dass sich die Repetitorien am Markt behaupten müssen und aufgrund des hohen Konkurrenzkampfes stets gezwungen sind ihre Konzepte und Materialien zu verbessern und sich auf die Bedürfnisse der Studenten einzustellen (→ siehe hierzu einen Zeitungsartikel aus der FAZ: „Jura Repetitorien — Recht verschlossen“). Diesen Druck verspürt ein Professor an seinem Institut nicht, was man vielen Vorlesungen und den dazugehörigen Powerpoint Folien auch anmerkt.

 ZZ. Gnatzel sagt Adieu

Schließlich spielt für den Erfolg der Repetitotrien sicherlich auch eine Rolle, dass die Studenten regelmäßig erst ca. anderthalb Jahre vor dem Examen mit der eigentlichen Examensvorbereitung beginnen weil sie sich vorher nur auf die Klausuren an der Universität konzentriert haben. Für die Kursleiter ist es daher auch einfacher den Blick der Studenten auf den gesamten Examensstoff zu lenken und die Rechtsgebiete zusammenhängend zu vermitteln. Zudem muss man auch sagen, dass es beim Repetitor wirklich nur noch um die Staatliche Pflichtfachprüfung geht, d.h. alles was über den Tellerrand des Examensstoffs hinausgeht hat in den Kursen keinen Platz mehr. Das ist an den Universitäten noch anders, denn dort wird auch der Anspruch verfolgt den Studenten ein breiteres Verständnis für das Recht und einen Sinn für wissenschaftliches Arbeiten zu vermitteln usw.

Ob man diesem Anspruch immer so gerecht wird ist schon fraglich, aber selbst wenn man die wissenschaftliche Ausrichtigung des Studiums anerkennt kann dies alleine doch wohl kaum die Tatsache rechtfertigen, dass 90% aller Studenten nach drei Jahren Studium mit dem Stoff vor der Pflichtfachprüfung nochmal „bei Null“ anfangen und einen privaten Repetitor dafür bezahlen müssen. Neben dem wissenschaftlichen Anspruch müssten die Universitäten doch irgendwann auch mal den Anspruch entwickeln die Studenten so für die Staatliche Pflichtfachprüfung fit zu machen, dass sie nicht mehr in dem Maße auf die „Privat-Pauker“ angewiesen sind. Das sollte allein schon deshalb gelten, weil diese flächendeckende Nachhilfe ja auch sehr ungerecht ist und ganz klar die Studenten benachteiligt, die sich das Repetitorium kaum leisten können.

ZZ. Anpumpen Gnatzel mit Mdm Ach

Jedenfalls konnte oder wollte bislang keine Studienreform an dieser faktischen Arbeitsteilung zwischen Universitäten und Privaten Repetitorien etwas ändern, obwohl dies mit der letzten großen Studienreform im Jahr 2003 offenbar sogar angestrebt wurde (→ vgl. hierzu einen Artikel aus dem Jahr 2003 auf SPIEGEL-ONLINE: „Das Geschäft mit der Examensangst“).

 

Private Arbeitsgemeinschaften

ZZ. Privat AG

Sehr sinnvoll für das Jurastudium sind auch private Arbeitsgemeinschaften, die aus ca. 3 – 4 Personen bestehen. Wenn man innerhalb dieser Gruppe ein gutes Arbeitskonzept entwickelt ist dies wahrscheinlich eine der effektivsten Möglichkeiten des Lernens. Denn einerseits kann man seine Kollegen alles fragen und so eigene Verständnisprobleme ausräumen, andererseits wird man aber auch selbst immer wieder von den anderen gefordert und kann dadurch sein eigenes Wissen festigen. Ofmals merkt man ja sogar erst während man etwas erklärt, ob man das Thema wirklich verstanden hat oder nicht. So kann der Austausch mit den Kollegen sehr produktiv sein, besonders wenn man sich mit den Leuten gut versteht und sich gegenseitig motiviert usw.

 

Mindmaps

ZZ. Kuno ließt Zeitung

Eher unüblich ist es bislang, dass man auch auf Mindmaps als Wissensquelle zurückzugreift. Eigentlich sind klassische Mindmaps hierfür nämlich auch nicht vorgesehen, sondern sie werden in erster Linie zur Ordnung und Zusammenfassung von Informationen aus anderen Wissensquellen eingesetzt. Aus diesem Grund ließt man auch häufig die Empfehlung, dass man bei der Erstellung von Mindmaps immer nur einzelne Schlüsselwörter verwenden sollte und niemals ganze Sätze oder gar Textabschnitte (→ Jurawiki über das Mindmapping).

Das ist grundsätzlich auch richtig, denn beim Mindmapping geht es primär eigentlich darum bestimmte Strukturen und Zusammenhänge sichtbar zu machen und da können längere Texte schnell unübersichtlich werden. Trotzdem spricht eigentlich nichts dagegen, das Wissen von vornherein in einer gewissen optischen Struktur präsentiert zu bekommen. Diese vorgegebene Struktur muss vom Leser dann natürlich immer noch selbst verarbeitet und hinterfragt werden, aber genau das fällt mit einer Mindmap möglicherweise schon leichter als mit einem Fließtext. Als Beispiel ist unten eine „Text-Mindmap“ mit dem Examensstoff zur Willenserklärung abrufbar. Dabei handelt es sich um eine relativ große Fotodatei, deren Größe man mit der Tastenkombination Strg und dann entweder + oder verändern kann (rein– oder rauszoomen). Diese Map ist sicherlich nicht perfekt, der aufmerksame Leser sollte die Darstellungen also ständig hinterfragen und sich überlegen, wie man den Stoff noch besser strukturieren oder erläutern könnte.

„Text-Mindmap“ zur Willenserklärung

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