Wissen speichern
Der „Kampf gegen das Vergessen” ist
eine der größten Herausforderungen
Wie bereits mehrfach erwähnt muss man bei der Staatlichen Pflichtfachprüfung alle drei Rechtsgebiete auf einen Schlag und auf „Examensniveau“ präsent haben (→ vgl. § 11 JAG NRW – Gegenstände der Prüfung). Wenn man sich dann mal anschaut wie umfangreich die einzelnen Bereiche eines Rechtsgebiets für sich betrachtet schon sind (Alpmann Schmidt gibt alleine für das BGB-AT zwei Skripte heraus) wird deutlich, dass man bis zur Staatlichen Pflichtfachprüfung sehr viel lernen und behalten muss.
Die Schwierigkeit bei der Staatlichen Pflichtfachprüfung liegt also nicht nur darin den Stoff inhaltlich zu verstehen, sondern eine mindestens ebenso große Herausforderung ist es das einmal gewonnene Verständnis so zu konservieren, dass man auch nach längerer Zeit noch Zugriff darauf hat. Dies wird sehr häufig als „Kampf gegen das Vergessen“ bezeichnet (→ Google Suche: „Jura ist ein Kampf gegen das Vergessen“).
Dieser „Kampf gegen das Vergessen“ wird gerade zu Beginn des Studiums häufig unterschätzt, was vor allem daran liegt, dass der Stoff an den Universitäten ja fast immer in einzelne Teilbereiche aufgeteilt und geprüft wird (s. „Motivation aufbauen“). Zwar sind diese Bereiche für sich betrachtet auch schon recht umfangreich, so dass man sich schon an den Umgang mit größeren Stoffmengen gewöhnt, aber so richtig „brutal“ wird dieser Kampf eben erst bei der Staatlichen Pflichtfachprüfung.
Es ist also ratsam sich für diesen Kampf zu wappnen und sich mit der Frage beschäftigen, mit welchen Techniken und Herangehensweisen man den Stoff langfristig im Gedächtnis behalten kann. Die Basis hierfür ist sicherlich ein gutes inhaltliches Verständnis für den Stoff, also das Begreifen der Strukturen und Zusammenhänge der einzelnen Themen und Rechtsgebiete (s. „Wissen einordnen”). Darüber hinaus können aber auch die Gedächtnistechniken (sog. „Mnemotechniken“) sehr hilfreich sein, bei denen man das Vergessen mit Hilfe von Bildern bekämpft.
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Die Mnemotechnik
Bei der Mnemotechnik handelt es sich um alte und etablierte Gedächtnistechnik, mit der man sich mit Hilfe von mentalen Bildern eine Vielzahl von Informationen merken kann. Besonders beeindruckend sind dabei die Leistungen von geübten Gedächtnissportlern, die sich in kürzester Zeit hunderstellige Zahlenreihen oder 20 Namen in einer Minute merken können.
→ siehe hierzu einen Auftritt von Boris Nikolai Konrad bei ON 3 Südwild (5 Min)
Um solche Gedächtnisleistungen zu vollbringen bedarf es natürlich schon einer Menge Übung, aber wichtig ist, dass man hierfür nicht über ausergewöhnliche Begabungen oder Talente verfügen muss, sondern diese Techniken funktionieren bei jedem und sie sind sehr einfach zu erlernen und auf verschiedenste Themengebiete anwendbar.
→ siehe hierzu die Gedächtnisweltmeisterin Christiane Stenger bei Markus Lanz (2 Min)
Sich Bilder vorzustellen ist also z.B. viel einfacher als Bilder zu malen, wofür man ja schon ein gewisses Talent und Übung braucht.
Das Prinzip bei der Mnemotechnik ist immer gleich: Die Informationen werden zunächst in Bilder umgewandelt und dann mit anderen Bildern oder Orten „verknüpft“. So entstehen bildliche Verknüpfungen (Eselsbrücken), mit denen man sich den Zugriff auf die Informationen erhalten kann. Das funktioniert tatsächlich und das Lernen macht auf diese Weise auch viel mehr Spaß als stures Auswendiglernen, denn man kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen und es kommen immer wieder neue lustige oder skurile Bilder dabei heraus.
In Deutschland sind diese Techniken schon relativ weit verbreitet, so gibt es z.B. einen Verein zur Förderung des Gedächtnisses, der laufend Turniere und Meisterschaften für Gedächtnissportler veranstaltet (→ s. hierzu die Webseite des Vereins Memory XL). Außerdem gibt es zahlreiche Bücher, Seminare und Vorträge zu dem Thema (→ siehe hierzu z.B. die Webseite des Gedächtnistrainers Gregor Staub).
Um zu verstehen warum diese Techniken so gut funktionieren muss man noch mehr über die Funktionsweise unseres Gehirns erfahren. Nach Erkenntnissen der Hirnforschung verfügt das menschliche Gehrin nämlich über eine enorme Speicherkapazität und jede Erfahrung oder Erinnerung wird irgendwo in unseren grauen Zellen gespeichert. Normalerweise werden die vielen tausend alltäglichen Eindrücke allerdings so unterdrückt und verschüttet, dass man keinen Zugriff mehr darauf hat. So kann man z.B. unmöglich sagen was man genau heute vor fünf Jahren den ganzen Tag über gemacht hat, es sei denn an diesem Tag ist etwas sehr Besonderes oder Schockierendes passiert…
Wenn an diesem Tag heute vor fünf Jahren allerdings nichts Besonderes passiert ist, dann wird man sich auch nicht mehr auf Anhieb an ihn erinnern können.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erinnerungen an diesen Tag nun vollkommen gelöscht wären, sondern man hat nur keinen Zugriff mehr auf seine Erinnerungen. Dieser Zugriff kann aber mit bestimmten Mitteln wieder hergestellt werden, etwa indem man sein Tagebuch ließt oder z.B. ein Foto von diesem Tag gezeigt bekommt.
Wenn man auf diesem Foto z.B. erkennt, dass man an diesem Tag seinem Onkel beim Streichen geholfen hat, dann kann man sich – wenn man in Ruhe überlegt – wahrscheinlich wieder gut an diesen Tag erinnern und sich langsam wieder ins Gedächtnis rufen, was an diesem Tag alles so los war und was man dort Lustiges getrieben hat usw.
Unsere Erfahrungen werden also nicht gelöscht, sondern sie werden nur „verschüttet“ und können mit entsprechenden Anreizen wieder ins Bewusstsein gerufen werden (→ siehe hierzu einen Ausschnitt aus der Dokumentation „Expedition ins Gehirn“).
Diese unglaubliche Speicherkapazität des Gehirns wird besonders bei Menschen deutlich, bei denen dieser „Verschüttungsmechanismus” aus irgendeinem Grund nicht richtig funktioniert und die sich deshalb auch ohne Videoaufnahmen oder Tagebücher an alle Ereignisse in ihrem Leben exakt erinnern können (→ vgl. hierzu das Spiegel Interview mit der Amerikanerin Jill Price). Vieles spricht dafür, dass theoretisch jeder Mensch die Fähigkeit hätte sich an fast alles zu erinnern, so wie man sich auch relativ gut den gestrigen Tages wieder vor Augen führen kann. Aber diese Erinnerungen werden von unserem Gehirn eben absichtlich unterdrückt. Und wahrscheinlich hat das auch seinen guten Grund, denn so kann man sich eben auf das Wesentliche konzentrieren und denkt nur über die wichtigsten Eindrücke und Erfahrungen nach.
Wie auch immer, mit den Gedächtnistechniken kann man sich diese enorme Speicherkapazität des Gehirns jedenfalls zu Nutze machen und sich mit Hilfe der mentalen Bilder den Zugriff auf bestimmte Informationen behalten.
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Die Mnemotechnik im Jurastudium
Die Frage ist nun, OB und WIE man diese Techniken auch sinnvoll für das Jurastudium nutzen kann. Hierfür gibt es schon einige Ansätze, so hat z.B. der Rechtsanwalt und Gedächtnissportler Dominik Reinhard ein Buch herausgegeben, in dem er zahlreiche bildliche Eselsbrücken für die Definitionen im Strafrecht vorstellt (→ Simon Reinhard: „Definitionen Strafrecht – Schnell gemerkt“).
Prof. Klaus Peter Berger von der Universität zu Köln hat sogar einen eigenen Rap-Song aufgenommen um seinen Studenten die Voraussetzungen des § 823 BGB näher zu bringen (→ Interview mit Prof. Berger auf ZEIT.DE).
Eine weitere Möglichkeit ist die Anwendung der sog. „Loci-Methode“. Dabei handelt es sich um spezielle Variante der Mnemotechnik, bei der die Informationen auf bestimmten Lernstrecken (z.B. auf dem Weg von der Wohnung bis zur Uni) abgelegt werden, so dass sie später durch einen „geistigen Spaziergang” wieder abgerufen werden können (→ Wikipedia Artikel über die Loci-Methode).
Normalerweise stellt man sich die Lernstrecken dabei nur vor, d.h. man geht im Kopf eine bestimmte Strecke ab und stellt dann bei markanten Stellen (z.B. bei einer Parkbank oder einer Littfasssäule) die bildlichen Verknüpfungen her. So machen das zumindest die Gedächtnissportler, die sich für ihre Wettkämpfe meistens schon mehrere Lernstrecken zurechtgelegt haben und genau wissen, wo und in welcher Reihenfolge sie etwas ablegen werden (→ s. hierzu ein Interview mit Simon Reinhard auf WELT.DE)
Wenn man diese Technik für den Jura Examensstoff nutzen möchte, dann stößt man damit allerdings schnell an seine Grenzen. Zwar kann man sich auf diese Weise schon sehr gut die Stichworte zu einzelnen Prüfungsschemata oder auch ein paar Definitionen merken usw, aber so richtig viel bringt einem das für die Klausuren dann auch nicht. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Stoff sehr abstrakt ist und es daher auch schon einiger Phantasie bedarf um für jede Information ein passendes Bild zu finden. Zudem ist der Stoff ja auch sehr umfangreich, so dass einem als „Nicht-Gedächtnissportler“ die Eselsbrücken auch irgendwann zu viel werden und man sie auch ständig wieder vergisst.
Es gibt allerdings eine Möglichkeit die Loci-Methode nochmal enorm zu vereinfachen und sich tatsächlich den gesamten Examensstoff damit merken zu können. Hierfür muss man die Lernstrecken tatsächlich aufsuchen und einen Fotapparat mitnehmen.
Auf diese Weise kann man nun nämlich vor Ort ganz gezielt nach markanten (und vielleicht auch passenden) Anknüpfungspunkten für die Informationen suchen und diese zugleich mit einem Foto absichern. Dies ist ein ganz entscheidender Schritt, denn so kann man seine Kreativität ganz auf die Eselsbrücken konzentrieren. Und im Grunde braucht dann auch gar nicht jedes Mal eine neue Eselsbrücke zu erfinden, denn häufig reicht allein schon das Wissen um das Foto und die dazugehörige Stellung aus um sich die Information wieder ins Gedächtnis rufen zu können. Auf diese Weise lassen sich selbst kleinste Details des Stoffs — den man vorher gründlich mit Mindmaps aufbereitet haben muss — mit einem Knopfdruck im Gedächtnis verankern und man kann den Stoff am Ende durch das Anschauen einer Diashow wiederholen.
So bleiben die Bilder – und mit ihnen der Examensstoff – im Kopf und selbst wenn man einzelne Zusammenhänge im Laufe der Zeit wieder vergessen sollte, kann man sie sich sehr schnell mit den Fotos wieder ins Gedächtnis rufen. Wie dieses „Lernen im Spaziergang“ genau funktioniert wird auf der nächsten Seite unter „Beispiel“ nochmal ausführlich dargestellt.